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WERKBESCHREINBUNG / ABOUT THE WORK

Der junge Fotograf Mathias Kutt tariert in seinen Arbeiten die Grenze zwischen Wirklichkeit und Inszenierung aus. Seine Fotografien versperren sich einer eindeutigen Zuschreibung, was real und somit authentisch, und was fiktiv und somit inszeniert ist. Dabei enttarnt er die Fotografie als ambivalentes Medium, welches zum einen dokumentarischen Anspruch erhebt und suggeriert, ein Abbild realer Tatsachen zu liefern, zum anderen jedoch durch die Selektion des Dargestellten ein Konstrukt von Realität schafft.

Mathias Kutt zeichnet sich in seiner Formensprache durch den gekonnten Gebrauch werbeüblicher Techniken, wie z.B. dem Einsatz von stimmungsvollem, künstlichem Licht sowie der Nachbearbeitung am Computer aus und benutzt diese Ästhetik, um gängigen Klischeevorstellungen von gesellschaftlicher Elite und ihrem Lebensmodell eine fotografische Entsprechung zu verleihen. Indem er offen lässt, ob bzw. in welchem Maße das dargestellte Motiv in Szene gesetzt ist, wirft er Fragen nach dem Rezeptionsverhalten von Fotografie und dem Glauben an oder Vertrauen in die Authentizität des Abgelichteten auf.

In seiner dreiteiligen Serie Heures de Loisirs I – III wird die Zugehörigkeit der Protagonisten zu einer gehobenen sozialen Schicht anhand der für sie spezifischen Freizeitgestaltung sichtbar, in der er die Personen betont ins Licht setzt.

In Heures de Loisirs I lichtet der Künstler Szenen des gepflegten familiären Musizierens in einem dafür typischen Interieur ab: zwei Schwestern beim Geigenspiel, Sohn am Cello und Mutter an der Geige, Vater und Tochter in bedächtiger Vorbereitung zwischen den Stücken. Hier wird noch „Hausmusik“ praktiziert. Jedoch werden die Familien, die sich in ihrem realen Leben der klassischen Musik verschrieben haben, auf den Fotografien der Wirklichkeit enthoben und auf eine fiktive Ebene gestellt. Zum einen suggeriert dies die augenscheinlich gestellte Positionierung der Musiker im Raum und zueinander, zum anderen die künstliche Lichtführung, erzeugt durch ein starkes Gegenlicht, welche Personen und Raum einen überhöhten Pathos verleiht. Es entsteht eine Opposition zwischen Authentizität und Künstlichkeit, erzeugt durch die Diskrepanz zwischen dem Motiv und seiner Inszenierung, die jedoch für den Rezipienten auf den ersten Blick nicht aufzulösen ist.

Geige und Geige aus der Serie: Heures De Loisir I,
65 x 52 cm, inkjet print, mounted on aludibond,
edition: 3,
© 2007

In Heures de Loisirs II inszeniert Mathias Kutt zwei junge, frisch verliebte Paare beim Picknick auf dem Lande. Kleidung, Gestik, Mimik und beigefügte Accessoires lassen in ihrem biederen Look keinen anderen Schluss vermuten, als dass es sich um höhere Töchter und Söhne handelt. Damit bedient er das Klischee einer heilen Welt elitärer Kreise, die in vordergründlicher Konformität und bürgerlicher Dekadenz unbeschwert ihr Leben beschreiten. Die erzeugte Spannung zwischen Abneigung und Faszination stellt eher den Betrachter mit seinen sozialen Mustern und allzu schnell getroffenen stereotypen Identitätszuschreibungen in Frage, als das eine kritische Aussage über gesellschaftliche Strukturen und Rollen bemüht wird.

Heures De Loisir II B, 38 x 50 cm, inkjet print,
mounted on aludebond, edition: 3,
© 2007

In Heures de Loisirs III lichtet der Künstler junge Sportler in zugehörigem Dress und in entsprechender Kulisse ab und lehnt sich formal stark an die Porträtfotos von August Sanders an. Dieser machte in der Serie „Menschen des 20. Jahrhunderts“ den Versuch, einen Querschnitt der Gesellschaft der Weimarer Republik zu liefern, indem er Menschen in ihrem typischen Umfeld, oft in ihrer Arbeitskleidung mit spezifischen Gerätschaften und Haltungen, frontal in die Kamera schauend, porträtierte. Sein Anspruch war eher wissenschaftlich-dokumentarischer, denn künstlerischer Natur. Gleiches könnte man bei Heures de Loisirs III vermuten, jedoch wird, obwohl das formale Zitat einen dokumentarischen Anspruch nahelegt, dieser durch die gezielte Selektion der Personen samt ausgeübter Sportarten wie Feldhockey, Tennis und Reiten, denen automatisch ein gesellschaftliches Prestige eingeschrieben ist, vereitelt.

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